Hamburg bei Nacht
Juli 4, 2016

Interview m. Ulrich Streitenberger und Markus Wilken zum Thema Pfandbrief

Im Magazin Vorsprung, Ausgabe Juni 2016 rund um das Thema Pfandbrief, werden unter anderem Ulrich Streitenberger und Dr. Markus Wilken von TXS interviewt.

Refinanzierung der Banken

Comeback am Finanzierungsmarkt: der Pfandbrief ist wieder da

Der Finanzierungsmarkt hat sich in den letzten Jahren stark verändert – die extreme Niedrigzinspolitik der EZB, verschärfte Regularien aufgrund der Finanzkrise und ein verändertes Kundenverhalten haben die Branche kräftig durchgerüttelt. Der Immobilienmarkt boomt, das Einlagengeschäft dagegen stagniert oder ist sogar rückläufig. Das heißt konkret: Sinkende Einlagenbestände auf der Passivseite und langfristige Immobiliendarlehen auf der Aktivseite. Daraus folgt, dass langfristige Refinanzierungsalternativen außerhalb des Kundengeschäfts benötigt werden. Das führt in der Branche aktuell zu einer spürbaren Verunsicherung sowie zu einem extrem harten Wettbewerb um Einlagen, der über die Konditionen geführt wird. In dieser Situation erwacht ein alt-bewährtes Wertpapier aus dem Winterschlaf: Der Pfandbrief.

Portät Ulrich Streitenberger

Ulrich Streitenberger

Porträt Markus Wilken von TXS

Dr. Markus Wilken

Die TXS GmbH, Partner der PRO-DIRECT-FINANCE, ist das führende Unternehmen für die technologische Beratung und Abwicklung rund um die Refinanzierung und Verbriefung. Wir haben Ulrich Streitenberger, einen der Geschäftsführer des Unternehmens, sowie Dr. Markus Wilken, Bereichsleiter Business Consulting getroffen und mit über Chancen, Risiken und Herausforderungen der Refinanzierungsalternative gesprochen.

Herr Streitenberger, warum setzen Banken verstärkt auf den Pfandbrief als Refinanzierungsstrategie?
Streitenberger: Der Pfandbrief als Refinanzierungsinstrument hat nicht nur eine tadellose, über einhundertjährige Historie, sondern hat auch gerade in der Finanzmarktkrise seine Systemrelevanz nachgewiesen. Der Rückblick auf die Krisenjahre zeigt ganz deutlich: wo Vertrauen der Kapitalmarktteilnehmer untereinander schwindet, ist Refinanzierung und Liquidität eben nur durch besonders starke, sichere und nachhaltige Instrumente möglich. Der Pfandbrief hat immer im Vergleich zu ungedeckten Refinanzierungsformen mit gleicher Laufzeit Preisvorteile, die den zusätzlichen Managementaufwand zumeist überkompensieren. Neben diesen rein wirtschaftlichen Vorteilen und dem Versicherungsgedanken des Liquiditätszugangs in schwierigen Zeiten sind Pfandbriefbanken durch diesen eigenständigen Kapitalmarktkanal unabhängiger und handlungsfähiger. Die Bankbilanz kann durch die Pfandbriefemission strategisch verbessert werden, Liquiditätsrisiken können in mittleren und längeren Laufzeiten aktiv gesteuert und reduziert werden.

Herr Dr. Wilken, welche Erwartungen und Annahmen gehen davon aus hinsichtlich des zukünftigen Finanzmarktes und der Zinsentwicklung?
Dr. Wilken: Die gegenwärtige Niedrigzinsphase ist etwas in dieser Form Neues, wenn auch nicht wirklich Überraschendes. Vor der Währungsunion konnten Wechselkurse Gefälle der wirtschaftlichen Entwicklungen zwischen EU-Partnerstaaten ausgleichen. Dieser Anpassungsmechanismus wird gegenwärtig teilweise durch die Zinsen getragen. Bis denn nun alle betroffenen Länder hinreichend ihre Hausaufgaben erledigt haben und die Konjunktur – und damit eben auch Zinsen und Inflation -anspringen, ist tatsächlich schwer zu prognostizieren. Dennoch besteht jetzt schon für die Bankenszene die Aufgabe, mögliche Treiber einer neuen Krise proaktiv zu therapieren. Ein solcher Treiber sind fristeninkongruente Bilanzstrukturen. Die Versuchung, lang gebundenes Aktivgeschäft durch quasi kostenloses kurzes Tagesgeld zu refinanzieren, ist durchaus groß, kann kurzfristig die Ertragslage stabilisieren aber langfristig eben auch ruinieren. Der Pfandbrief kann hier helfen.

Warum werden sogar Anleihen mit negativer Verzinsung in Kauf genommen?
Dr. Wilken: Vielleicht müssen wir uns aktuell einmal von der psychologischen Vorzeichendenke beim Zinssatz lösen. Vielmehr ist gegenwärtig der Lagerkostengedanke für überschüssiges Geld im Vordergrund. Banken trauen sich aktuell nicht, Geld über Kredite in den Markt zu geben oder der Markt fragt dieses verfügbare Kapital noch nicht nach. Unabhängig des Vorzeichens am Zins werden unterschiedlich Risiken auch nach wie vor unterschiedlich bepreist. Das heißt, dass ein Pfandbrief mit negativer Rendite immer noch angenommen wird, statt in eine leicht positive Rendite zu investieren, die aber ein deutlich höheres Ausfallrisiko hat.

Welche Chancen und Risiken gibt es?
Streitenberger: Aus der Perspektive der Systemstabilität kann man sich eigentlich nur wünschen, dass viele Banken sich um die Pfandbriefemissionserlaubnis bemühen. Die Erfahrung zeigt, dass eigenständige Handlungsfähigkeit in einer Krise und vor allem auch Unabhängigkeit selbst zu verbundenen Kreditinstituten von Vorteil sein kann. Inwieweit Pfandbriefpoolingmodelle in Krisen funktionieren, bliebe abzuwarten. Sicher kann das Pfandbriefpooling eine sinnvolle Ergänzung sein, doch bestehen hier im Gegensatz zur Eigenemissionsfähigkeit Abhängigkeiten.

Hafen in HamburgSind Pfandbriefe für jede Bank geeignet, bzw. rentabel?
Dr. Wilken: Der Gesetzgeber hat hier im Prinzip eine Größe vorgegeben. Die Pfandbriefbank braucht mindestens 25 Millionen Euro Eigenkapital. Eine Bank, die die Pfandbriefemissionserlaubnis anstrebt, muss zudem gegenüber der Aufsicht durch einen Geschäftsplan über fünf volle Jahre die Profitabilität nachweisen. Schaut man in die Pfandbriefbankenszene, so kann man eine weite Range mit großen, mittleren aber auch kleinen Instituten mit Bilanzsummen von ungefähr einer Milliarde Euro oder im Einzelfall auch darunter beobachten. Die reflexartige Empfehlung „unter einer Bilanzsumme von x lohnt sich keine Pfandbreifeigenemission“ wird eher aus anderer nicht unabhängiger Motivation gegeben, etwa wenn man eine kleinere Bank zur Teilnahme an einem Pfandbriefpooling gewinnen möchte.

Welche Anforderungen müssen Banken erfüllen, um Pfandbriefe zu nutzen? Welche gesetzlichen Bestimmungen gibt es?
Dr. Wilken: Grundsätzlich gelten für Pfandbriefbanken aktuell das Pfandbriefgesetz und die daraus abgeleiteten Verordnungen zur Registerführung, Wertermittlung und barwertigen Deckungsrechnung. Dies gilt im laufenden Betrieb einer Pfandbriefbank. Zuvor muss im Rahmen eines einmaligen Aufwandes, für die Erweiterung der Banklizenz um das Pfandbriefemissionsprivileg, ein Unterlagenpaket für die Bankenaufsicht erstellt werden. In der Startphase reicht den neuen kleineren und mittleren Emittenten oft das obligatorische gesetzliche Aufgabenspektrum. Wenn denn später der Pfandbrief an Bedeutung zunimmt, wird dann manchmal nach wirtschaftlicher Abwägung ein noch ein Pfandbriefrating angestrebt, um etwa weitere Investorenkreise zu erschließen.

Warum spielt das Thema IT in Zusammenhang mit dem Thema Pfandbrief eine übergeordnete Rolle?
Streitenberger: Das zusätzliche Aufgabenspektrum im Vergleich zu einer Pfandbriefbank gilt es möglichst weitreichend automatisiert mit wenig zusätzlichen Kosten zu erschließen. Vereinfacht ausgedrückt heißt dies: die durch günstige Pfandbriefrefinanzierung im Kapitalmarkt gesparten bzw. verdienten Basispunkte durch effizientes Pfandbriefmanagement weitreichend in der GuV zu behalten. In früheren Zeiten war etwa die Deckungsregisterführung noch sehr personalintensiv, quasi ähnlich einer Bibliothek mit vielen Bibliothekaren organisiert. Wenn heute Banken auf uns zugehen und sich auf dem Weg zur Pfandbriefbank mit Beratung und IT-Lösungen unterstützen lassen, dann kommt dieser gesamte Prozess in aller Regel ohne Stellenneuausschreibungen aus. Vielmehr wird überschaubarer zusätzlicher Personalaufwand oft durch interne Umschichtungen vorgenommen. Der aktuell erreichte Automatisierungsgrad des Pfandbriefmanagements führt dazu, dass eben auch kleinere Häuser profitabel an der Pfandbriefeigenemission partizipieren können. Der Schwerpunkt des zusätzlichen Aufgabenspektrums besteht im Übrigen im Reporting an diverse Prozessbeteiligte wie etwa Treuhänder, Investoren oder Fachabteilungen. Hier kann eine professionelle Standard IT-Lösung mit automatisierten Reports große Effizienzvorteile heben und im Übrigen auch den generell stärker werdenden Anforderungen an Überprüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit gesetzlich geforderter Kennzahlen und Auswertungen begegnen.

Welche Anpassungen an die IT und an die Prozessstruktur sind nötig?
Dr. Wilken: In den gegebenen Quellsystemen der Bank sind sehr wenige Anpassungen vorzunehmen. Im Prinzip geht es hier nur um eine Statusinformation, ob etwa hypothekarische Darlehen in das Deckungsregister sollen. Über Schnittstellen werden dann aus den Bankensystemen alle für Deckungsregister, Deckungsrechnung und Deckungsstockreporting relevanten Daten an die spezielle Pfandbrief-IT gemeldet. Hier werden dann von in der Regel wenigen Anwendern die nachhaltigen pfandbriefgesetzlichen Aufgaben im Alltag gesteuert. In einem Pfandbriefprojekt werden zudem oft bestehende Prozesse zur Immobilienbewertung oder Gebäudeversicherung einem Review unterzogen. Dies reflektiert keine zusätzlichen pfandbriefgesetzlichen Aufgaben, birgt jedoch die Chance, Modernisierungen und Fehlerbeseitigungen vorzunehmen, welche zukünftig unabhängig des Pfandbriefprojektes auf der Agenda diverser Bankprüfer stehen könnten.

Container-Haften in HamburgWelche Unterstützung können Banken von TXS erwarten auf den Weg zur Pfandbriefbank und welche Voraussetzungen müssen in den Prozessen davor geschaffen werden?
Streitenberger: Grundsätzlich bietet TXS eigenständig oder im erweiterten Expertenkonsortium interessierten Banken ein ganzheitliches und auf die besondere Anforderungssituation individualisierbares Beratungs- und IT-Lösungsspektrum.
Erster Meilenstein kann hier etwa eine grundsätzliche Vorstudie mit quantitativer und qualitativer Vorteilhaftigkeitsbetrachtung der Pfandbriefemission für die Bank sein. Die Ergebnisse können dann eben den weiteren Weg zur Pfandbriefbank fundieren und in der nächsten Phase auch in die von uns unterstützte Erlaubnisbeantragung Eingang finden. In dieser Phase erstellen wir mit der Bank zusammen grundsätzliche Ausführungen zur Organisation und Aufstellung der Bank als Pfandbriefbank, ein System zum Risikomanagement der Pfandbriefdeckungsstöcke nach § 27 PfandBG und einen Geschäftsplan für die Bankenaufsicht.
Parallel hierzu starten Reviews und ggfs. nachgelagert eigenständige Beratungsprozesse zu übergreifenden Themenkreisen, etwa dem Kreditvergabe und Bewertungsprozess oder der Versicherungspflicht bei hypothekarischen Beleihungen.
Die bestehende Systemarchitektur wird zudem analysiert und es werden ggfs. IT-relevante Gaps, etwa im BelWertV-konformen Bewertungsprozess, diskutiert und Lösungsmöglichkeiten erörtert.

Das eigentliche neue System im Hause, TXS Pfandbrief, wird dann implementiert, ggfs. sind hier die Rechenzentren der Bank involviert. Hauptaufgabe der Implementierung ist die Entwicklung einer Datenschnittstelle der Kernsysteme der Bank (Kredite, Sicherheiten, Pfandobjekte hauptsächlich) zum TXS Pfandbrief System, wo dann später die alltäglichen Aufgaben der Pfandbriefbank, wie Deckungsregisterführung und Deckungsrechnung, durch einige wenige Mitarbeiter effizient abgewickelt werden. In diesem Punkt arbeiten wir mit den Berliner IT-Kollegen der PRO-DIRECT-FINANCE zusammen. Das Kreditprozessingsystem MONTO bietet genau diese Datenschnittstelle: Beispielsweise die PSD Bank Nürnberg, die gerade erst die Zulassung zur Verbriefung erhalten hat, nutzt MONTO. Das System begleitet automatisiert die Bewertung der Objekte, auch nach BelWertV, und erleichtert, neben dem Kreditantrags- und Vergabeprozess, wesentlich den notwendigen Durchlaufprozess vor der Übergabe an das IT System der TXS.
Mit der Systemeinführung folgt dann in der Regel auch die Phase der Mitarbeiterschulung. Üblicherweise sind dies etablierte Bankmitarbeiter, die sich den neuen Themen widmen.
Erfahrungsgemäß eher zum Ende eines Pfandbriefprojektzyklus werden noch Treasury-relevante Fragestellungen geschärft. Hier geht es insbesondere darum, wie die Pfandbriefbank im Markt auftreten möchte, welche Investoren angesprochen werden sollen, welche Emissionsarten Inhaberpfandbrief oder Namenspfandbrief gewählt werden und wie die sogenannte „Emissionsstory“ aussieht, also eben auch um Fragen der Investor Relations.

Vielen Dank für das Interview, meine Herren!

TXS Facts:
• Software- und Beratungshaus mit Sitz in Hamburg
• Spezialisiert auf das Thema gedeckte Refinanzierung
• 80 Mitarbeiter
• 9,7 Mio. € Umsatz
• Mehr als 85 Produktkunden

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Das komplette Magazin können Sie hier herunterladen.

Bildquelle: istockphoto.com

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