Interview mit Reiner Lux von vdpR zum Thema Immobilienbewertung
Im Magazin Vorsprung, Ausgabe September 2016 rund um das Thema Beleihungswert, wird unter anderem Reiner Lux von vdpR interviewt.
Das Fundament der Immobilienbewertung
Preisschwankungen, Regionspräferenzen, Prognosen: Das Unternehmen vdpResearch zeichnet alle Entwicklungen der wohnwirtschaftlichen und gewerblichen Immobilienmärkte in Deutschland auf – und gibt Banken somit eine solide Grundlage für die Immobilienbewertung, Finanzierungsentscheidungen und Risikoeinschätzungen bei der Vergabe von Immobilienkrediten an die Hand. Wir haben Reiner Lux getroffen, um mit ihm über die Arbeit der vdpResearch und die weitere Entwicklung am Markt zu sprechen.
Reiner Lux ist seit 2008 Geschäftsführer der vdpResearch GmbH. Nach seinem Studium der Bankbetriebs-, Finanzierungs- und Steuerlehre in Köln arbeitete er drei Jahre bei der Bayerischen Landesbank in München, später in einer technischen Unternehmensberatung als kaufmännischer Leiter. Seit 1996 ist er außerdem Geschäftsführer bei der HypZert GmbH, der führenden nationale Organisation für Gutachter in der Immobilienbewertung.
Guten Tag Herr Lux! Wer ist vdpR und welche Aufgaben übernimmt das Unternehmen?
Die vdpResearch GmbH ist die Immobilienmarktforschungsgesellschaft des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken e.V. Wie der Name schon verrät, ist unsere Aufgabe die Beobachtung, Erforschung und Auswertung des deutschen Immobilienmarktes. Kern unserer Arbeit ist die Unterstützung von Finanzinstituten bei der Immobilienbewertung. Für die Markt- und Beleihungswertermittlung stellen wir zentrale Bewertungsparameter bereit. Außerdem führen wir eine Transaktionsdatenbank, in der wir Daten zu Immobilienpreisen, -verkäufen und Preisentwicklungen in Deutschland sammeln und auswerten. Momentan verwalten wir mehr als drei Millionen Transaktionsdaten, jährlich kommen rund 300.000 neue Datensätze hinzu. Diese Daten dienen u.a. für die Überwachung von Immobilienwerten nach Artikel 208 der Capital Requirements Regulation (CRR), demnach sind Banken verpflichtet, die Werte von Wohnimmobilien zu überwachen, wenn diese als Kreditsicherheit fungieren.
Was sind die Besonderheiten und Spezialitäten, insbesondere hinsichtlich eines immer stärker umkämpften Marktes der Geodatenanbieter? Warum vdpR?
Das Besondere an unserer Transaktionsdatenbank ist, dass unsere Datenbank „echte“ Transaktionen mit „echten“ Preisen listet, die uns Banken aus ihren Finanzierungsfällen übermitteln. Andere Anbieter arbeiten mit Angebotsdaten. Aus den Angebotsdaten ist jedoch nicht nachvollziehbar, zu welchem Preis die Immobilie tatsächlich verkauft wurde. Deshalb kann die vdpResearch immer mehr Banken für sich gewinnen. Seit dem Beitritt des Bundesverbandes der Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR) in die vdpResearch liefern mehr als 500 Volksbanken in unsere Transaktionsdatenbank ein. Zudem ist die Transaktionsdatenbank mit Datenschutzbeauftragten abgestimmt und somit das Vorgehen rechtlich abgesichert, was aus unserer Sicht in dieser Form einmalig in Deutschland ist.
Was ist die HypZert? In welchem Zusammenhang stehen die Aufgaben der vdpR zu HypZert und welche Synergien gibt es?
HypZert ist eine führende, nationale Organisation, die Gutachter in der Immobilienbewertung und Immobilienanalyse qualifiziert und zertifiziert. Diese Zertifizierung ist in Deutschland hoch angesehen – sie schafft Transparenz und Einheitlichkeit bei der Immobilienbewertung. Synergien mit der vdpR ergeben sich, indem wir HypZert-Gutachtern, die Immobilien vor Ort bewerten, die wesentlichen Bewertungsparameter für die Bewertung zur Verfügung stellen, sofern sie auch Daten in die Transaktionsdatenbank einliefern; was einen Teil des Datenschutzkonzeptes darstellt.
Die HypZert bildet ausschließlich Gutachter aus, wieso ist so eine Qualifizierung so wichtig?
Die HypZert-Qualifizierung ist sehr wichtig, um die Immobilienbewertung transparent und einheitlich zu gestalten. Gutachter müssen eine anspruchsvolle, fünfeinhalb-stündige Prüfung ablegen, bei der sie selber zwei Gutachten erstellen müssen sowie ein fehlerhaftes Gutachten auf Plausibilität hin überprüfen sowie sich einem Frageteil mit rund 15 Fragen unterziehen. Das resultiert übrigens aus dem Schneider-Fall von 1994/95, wo ein Projektentwickler in großem Stil Banken hintergangen hat, indem er eigene Gutachten u.a. mit nicht vorhandenen Flächen eingereicht hat. Der Fehler der Banken war, dass sie diese ungeprüft zu den Akten gelegt haben. Heute sind Banken verpflichtet, Gutachten von Dritten zu überprüfen – oft eben durch HypZert-Gutachter. Die Zertifizierung gilt nur für 5 Jahre, danach ist eine Re-Zertifizierung erforderlich – damit hat man auf die rasanten Veränderungen der letzten Jahre reagiert, unter anderem auf das Pfandbriefgesetz. Es ist wichtig, in der Weiterbildung am Ball zu bleiben, damit die Kompetenz zur Gutachtenerstellung nicht verloren geht.
Herr Lux, berufsbedingt reisen Sie sehr viel, kriegen viel von anderen Immobilienmärkten mit. Deutschland hat einen recht stabilen Immobilienmarkt durch das System der HypZert, gibt es etwas Vergleichbares auch im Ausland?
England hat die Chartered Surveyors und Amerika das Appraisal Insitute. Also es gibt vergleichbare Programme im Ausland, die allerdings nicht von den Banken betrieben werden, sondern eher von der freien Wirtschaft. Wir haben in Deutschland die Besonderheit, dass wir unsere Gutachter insbesondere auch auf die Beleihungswertermittlung spezialisieren und in diesem Bereich die Kompetenzen herstellen. Und wenn wir über die Stabilität des deutschen Immobilienmarktes sprechen, dann spielt sicherlich auch das Thema Beleihungswert eine besonders wichtige Rolle. Der Beleihungswert ist ein nachhaltiger Wert, wo hingegen in den USA beispielsweise eine Finanzierung auf Basis des Marktwertes erfolgt. D.h. wenn die Immobilienpreise in die Höhe gehen, dann steigt auch das Kreditvolumen – das ist in Deutschland in dieser Form so nicht möglich.
Ist der Beleihungswert deshalb so erfolgreich?
Stand heute ist, dass nur wenige Länder einen Beleihungswert kennen – auf europäischer Ebene gibt es jedoch Bestrebungen, einen Beleihungswert einzuführen und diesen auch möglicherweise auch verpflichtend zu machen. Von der EBA, der European Banking Authority, gab es da auch schon mal einen ersten Entwurf zum Thema Mortgage Lending Value, der aber nicht veröffentlicht worden ist. Vor 2018 ist auch nicht zu erwarten, dass ein neuer Entwurf zum Mortgage Lending Value veröffentlicht wird. Das zeigt eindeutig, dass man sich in vielen Ländern Gedanken macht, ob es etwas anderes als einen Marktwert gibt, etwas Nachhaltiges, wie den Beleihungswert oder auch den „Long Term Sustainable Value“. Das sind auch Gedanken, die wir in den USA verfolgen. Dort gibt es erste Überlegungen, ob neben dem Marktwert auch andere, langfristige Werte im Rahmen der Kreditvergabe herangezogen werden sollen.
Wie unterstützt die vdpR die Banken in der Bewertung? Wie hängt das zusammen?
Zum einen erfolgt eine Unterstützung durch das Monitoring und unsere Preisindizes, wodurch Banken einen schnellen Überblick über Preisentwicklung erhalten können. Zum anderen bieten wir ihnen die wertbestimmenden Bewertungsdaten und eine Software mit den Transaktionsdaten.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung im Zusammenhang mit der Beleihungswertermittlung?
Allein durch das Thema Software wird anders an die Bewertung herangegangen, als noch es noch vor fünf oder 10 Jahren der Fall war – da hat man oft noch mit Excel und Word Dokumente zusammengebastelt. Das geschieht heute alles automatisiert in der Software. Im zweiten Schritt werden relevante Karten, wie Liegenschaftskarten und Stadtpläne auf Knopfdruck mit in den Prozess eingespielt. Mithilfe von Kooperationspartner können wir auch Grundbuchauszüge heranholen. Zurzeit versuchen wir das Thema Besichtigung zu optimieren: Wir haben eine Besichtigungs-App mitentwickelt, die, wenn die Besichtigung abgeschlossen ist, die Informationen direkt in den Prozess implementiert. Das sind beispielhafte Ansätze zum Thema Digitalisierung. Insgesamt sollen Prozesse deutlich schlanker und effizienter gestaltet werden.
Prozesse verschlanken, effizienter machen: Das ist ja auch das Kerngeschäft von PRO-DIRECT-FINANCE. Wie stehen Sie mit dem Unternehmen in Verbindung, welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit gibt es da?
Wir haben viele gemeinsame Kunden mit P-D-F und liefern u.a. Bewertungsparameter für die Immobilienbewertung in der Software MONTO. Außerdem stehen wir im regelmäßigen Austausch, in wie weit wir unsere Dienstleistungspalette erweitern können. Zum Beispiel, sobald das Thema mit der Besichtigungs-App lauffähig ist, könnte das Produkt auch mit P-D-F in Zusammenspiel stehen.
Wie schätzen sie die weitere Entwicklung in der Immobilienbewertung ein, was für neue Chancen und Herausforderungen gibt es?
Die Herausforderungen bestehen darin, dass die Immobilienmärkte zyklischer geworden sind, als in der Vergangenheit. Früher kannten Märkte oft nur den Weg nach oben, heute treten durchaus auch Schwankungen auf. Man muss sich einfach nur vorstellen, dass die EZB die Zinsen wieder anzieht, dann kann es schon wieder dazu kommen, dass das Kapital in andere Asset-Klassen reinfließt, der Immobilienmarkt somit gedämpft wird. Insofern ist es wichtig, Informationen über die einzelnen Asset-Klassen in den Märkten und in der Region zu haben und diese letztendlich auch mit Prognosesystemen zu verbinden. Es stellt sich die Frage, wie sich die Immobilienmärkte unter bestimmten Szenarien entwickeln können. Die vdpResearch bietet Prognosen für fünf Jahre an, wir arbeiten aber momentan an einer Verlängerung des Prognosezeitraums auf zehn bis zwölf Jahre. Eine andere Herausforderung ist der Niedrigzins und der Margenverfall bei den Banken, also der enorm steigernde Kostendruck bei den Banken. Hier überlegen wir, wie wir unsere Kunden, die im Rahmen der Prozessoptimierung Kostendruck haben, unterstützen können. Das ist meines Erachtens nach auch die größte Herausforderung in den nächsten Jahren.
Vielen Dank für den Einblick, Herr Lux!
Das komplette Magazin können Sie hier herunterladen.
Bildquelle: istockphoto.com